Dr’in Anna Christmann über Transformation, Nachhaltigkeit und Diversität in der Luft- und Raumfahrt

27. November 2024

Foto von Anna Christmann
Foto: Deutscher Bundestag/Inga Haar

Seit 2022 ist Dr’in Anna Christmann die Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Ihr Ziel ist es, Partner aus Industrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammenzubringen, um klimaneutrales Fliegen möglich zu machen. Besonders die Start-ups hat sie dabei im Blick und betont, dass Diversität für eine innovative, kreative und starke Start-up-Landschaft besonders wichtig ist.

Christmann engagiert sich in vielen weiteren Organisationen, Vereinen und Verbänden, darunter auch als Mitglied im Kuratorium des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V.

Frau Dr’in Christmann, wie steht es um die Luft- und Raumfahrt in Deutschland? 

Die Luft- und Raumfahrt ist eine zentrale Zukunftstechnologie für Deutschland. Gerade in den letzten Jahren hat sich die Branche stark weiterentwickelt. Erkenntnisse aus der Raumfahrt sind mittlerweile unverzichtbar für wirksamen Klimaschutz, eine vernetzte Mobilität oder unsere europäische Sicherheit und sind deshalb von besonderer Bedeutung für uns. Aber auch die Luftfahrt befindet sich mitten in der Transformation und es wird intensiv daran geforscht, wie wir künftig klimafreundlicher fliegen können. Wir sind in Deutschland also auf einem guten Weg, aber die internationale Dynamik ist hoch. Es gibt also noch viel zu tun.

Sie sind Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Was ist Ihre Vision für die deutsche Luft- und Raumfahrt?

Das große Ziel ist es, unsere Luft- und Raumfahrt nachhaltiger zu machen. Gleichzeitig wollen und müssen wir im internationalen Wettbewerb ganz vorne mitspielen und unsere Innovationen aus der Luft- und Raumfahrt so einsetzen, dass sie unserer Gesellschaft von Nutzen sind. Deshalb haben wir in der Bundesregierung nach über zehn Jahren endlich eine neue deutsche Raumfahrtstrategie verabschiedet. Und wir haben den Arbeitskreis Klimaneutrale Luftfahrt ins Leben gerufen, der gemeinsam mit Wirtschaft, Wissenschaft und NGOs Empfehlungen für eine nachhaltige und effizientere Luftfahrt macht. 

Luft- und Raumfahrt sind mehr als die reine Erkundung des Weltalls. Welche Rolle spielen Innovationen in der Branche bei der Bewältigung globaler Herausforderungen?

Luft- und Raumfahrt bietet viel Raum für Innovation. Schon heute nutzen wir zahlreiche Technologien und Dienste, die auf Raumfahrtanwendungen basieren wie beispielsweise Navigationssysteme oder Wettervorhersagen. Oder die Zwillingssatelliten GRACE, mit denen wir unsere Erde beobachten und wichtige Erkenntnisse zum Ausmaß der Klimakrise gewinnen können. Aber auch in der Luftfahrt gibt es spannende Innovationen. Elektrisch betriebene Flugzeuge können schon heute kurze Strecken zurücklegen. Solche neuen Technologien und Innovationen müssen wir deshalb weiter fördern, denn nur so werden wir die großen Krisen unserer Zeit bewältigen können. 

Noch entscheiden sich mehr Männer als Frauen für einen Beruf in der Luft- und Raumfahrt. Welchen Stellenwert messen Sie dem Thema Diversität in der Branche bei? 

Mir ist das Thema Diversität in der Luft- und Raumfahrt ein besonderes Anliegen. In beiden Industrien sind Frauen noch immer unterrepräsentiert. Trotzdem hat sich in den letzten Jahren auch einiges getan. Mit Nicola Winter und Amelie Schoenenwald starten gerade zwei Frauen aus Deutschland ihre Astronautinnen-Ausbildung bei der ESA. Beide sind wichtige neue Vorbilder für Frauen in der Raumfahrt! Und auch die Luftfahrtbranche arbeitet mit vielen Programmen wie Berufsorientierung oder Networking-Plattformen daran mit, das Berufsbild für Mädchen und Frauen attraktiver zu machen. Deshalb freue ich mich über alle Initiativen und alle Frauen, die dazu beitragen, unsere Luft- und Raumfahrt diverser zu machen wie etwa das regelmäßige Treffen der Frauen in Luft- und Raumfahrt bei der ILA, bei dem ich schon zwei Mal dabei sein durfte!

In diesem Jahr könnte mit Rabea Rogge die erste deutsche Frau ins All fliegen. Wie wichtig sind weibliche Role Models in der Luft- und Raumfahrt?

Weibliche Role Models sind in der Branche extrem wichtig. Gerade die Luft- und Raumfahrt ist noch sehr männlich geprägt. Um mehr Mädchen für Jobs in Digitalisierung, Technik und IT und damit auch für die Luft- und Raumfahrt zu begeistern, brauchen wir mehr sichtbare Vorbilder, die von ihrem Weg erzählen. Für viele junge Mädchen kann das eine Inspiration sein, was sie alles schaffen können. 

Sie sind auch die Beauftragte für die Digitale Wirtschaft und Start-ups im BMWK. Welche Rolle spielt die Start-up-Landschaft in der Luft- und Raumfahrt?

Wir haben in Deutschland viele spannende und hochinnovative junge Unternehmen in der Luft- und Raumfahrtbranche, die heute an den Technologien von morgen arbeiten. Der Vorteil daran ist, dass StartUps durch frühes Ausprobieren oder ganz neues Denken innovative Produkte schneller entwickeln können. So hat zum Beispiel mit HyImpulse ein deutsches StartUp vor kurzem eine privatfinanzierte Höhenforschungsrakete erfolgreich getestet; weitere werden in diesem oder im nächsten Jahr folgen. Als Bundesregierung unterstützen wir diese Entwicklung deshalb besonders und haben vor zwei Jahren erstmals eine StartUp Strategie verabschiedet, um die Rahmenbedingungen unserer Gründer*innen weiter zu verbessern. 

Das Schlagwort "New Space" beschreibt die Kommerzialisierung des Weltraums. Werden wir in Zukunft Urlaub auf anderen Planeten machen?

New Space revolutioniert schon lange die Raumfahrt. In erster Linie heißt das für uns: mit der Expertise von StartUps, KMUs und privaten Unternehmen können wir Innovationen in der Raumfahrt vorantreiben und die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Raumfahrtsektors stärken. Alles, was uns dabei hilft, mehr über unsere Erde zu verstehen, sehe ich positiv. Touristische Aktivitäten im All werden nicht mit Steuergeld unterstützt. Kommerzialisierung bedeutet aber letztlich auch, dass Weltraumaktivitäten günstiger werden und wir sie einfacher für wichtigen Anwendungen in Forschung und Industrie nutzen können. Wir müssen bei all diesen Entwicklungen immer eine friedliche, sichere und nachhaltige Nutzung des Weltraums sicherstellen.

Herzlichen Dank für das Interview, Frau Dr’in Christmann. Schön, dass Sie bei uns im Kuratorium sind!

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