Dr’in Corinna Hölzer über lebenswerte Städte dank Artenschutz und Biodiversität

10. Mai 2022

Dr’in Corinna Hoelzer vom Projekt Deutschland summt auf dem Podium bei der Preisverleihung Land der Ideen

Dr’in Corinna Hölzer bei der Preisverleihung „Land der Ideen“

Foto: Bernd Brundert
Corinna Hölzer

Dr’in Corinna Hölzer

Umwelt und Nachhaltigkeit


Etwa eine Million von geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten sind dem Weltbiodiversitätsrat IPBES zufolge vom Aussterben bedroht, darunter fast jede zweite Wildbienenart in Europa.(1) Höchste Zeit, dem Artenschwund Einhalt zu gebieten und eine lebenswerte Zukunft aktiv mitzugestalten, sagt die Biologin Dr’in Corinna Hölzer. Hölzer ist Leiterin der Stiftung Mensch und Umwelt und meint: Jede und jeder kann sich für mehr Natur- und Bienenschutz einsetzen kann, auch ohne großen Aufwand. Mit ihrer Initiative „Deutschland summt! Wir tun was für die Bienen“ weist Dr'in Hölzer seit dem Jahr 2010 auf die Notwendigkeit des Schutzes der Biodiversität hin, und zwar anders als Naturschützer das sonst tun.

Im Interview berichtet Dr’in Corinna Hölzer über das innovative Projekt, den Mehrwert städtischer Biodiversität und ihre Vision einer lebenswerten Stadt.

(1) IPBES (2019): Globales IPBES-Assessment zu Biodiversität und Ökosystemleistungen. https://www.de-ipbes.de/de/Globales-IPBES-Assessment-zu-Biodiversitat-und-Okosystemleistungen-1934.html.

Frau Dr’in Hölzer, im Jahr 2010 haben Sie die Initiative „Deutschland summt! – Wir tun was für Bienen“ ins Leben gerufen. Worum geht es bei dem Projekt?

Corinna Hölzer: „Deutschland summt! – Wir tun was für Bienen“ sollte das wichtige, aber vor 12 Jahren komplett unsichtbare Thema „Biologische Vielfalt“ an die Massenmedien herantragen. Es sollte unterschiedlichsten Gruppen Lust machen, selbst aktiv zu werden für den Naturschutz. Viele Journalistinnen und Journalisten hatten mir nämlich in den Jahren zuvor immer wieder gesagt: „Biodiversität ist nicht kommunizierbar, Frau Hölzer! Es ist unsexy als Thema, viel zu komplex.“ Das spornte mich an. Mit der kleinen Honigbiene auf prominenten Dächern der Hauptstadt setzten wir das kleine Tier ungewöhnlich in Szene und erregten erstmalig Aufmerksamkeit für ein halb wildes Nutztier, ein Insekt! Die Folge war eine unglaubliche Resonanz bei den Massenmedien. Die Menschen begannen, die Honigbienen als Bestäuberin und nicht nur als Honiglieferantin zu schätzen. Jungimkerinnen und Jungimker stellten Haltungsformen infrage. Nach der neu entdeckten Liebe zur Biene Maja sprang der Funke leicht über zu den bedrohten 560 Wildbienenarten in Deutschland!

Was würde ein Rückgang städtischer Biodiversität für die Stadtbewohner*innen perspektivisch bedeuten? Weshalb ist unsere Stadtnatur so wichtig?

Corinna Hölzer: Eine vielfältige Stadtnatur erhöht die Lebensqualität der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner enorm, denn Pflanzen verbessern unser städtisches Mikroklima. Unsere Stadtnatur ist nicht nur Erholungsraum, sie fördert auch nachweislich unsere Gesundheit. Mit den Pflanzen und natürlichen Strukturen kommen die Tiere und es entsteht ein Nahrungs- und Lebensnetz, was von den Stadtmenschen als wohltuend empfunden wird. Dabei gilt: Je vielfältiger die Vegetation, umso resilienter gegen Hitze und Trockenheit sind die Pflanzen. Auch wegen des Klimawandels brauchen Städte zwingend eine vielfältige und gesunde Stadtnatur, die anpassungsfähig ist.

Welche Möglichkeiten gibt es, sich für eine vielfältige (Stadt-)Natur stark zu machen? Und wie unterstützt „Deutschland summt!“ dabei?

Dr’in Corinna Hölzer und Cornelis F. Hemmer von der Stiftung Mensch und Umwelt säen eine Wiese ein

Eine Wiese wird eingesät.
Dr’in Corinna Hölzer und Cornelis F. Hemmer, die Gründer*innen der Stiftung Mensch und Umwelt

Foto: Stiftung Mensch und Umwelt

Corinna Hölzer: Jeder und jede kann sich für Natur- und Bienenschutz einsetzen, sei es beruflich oder privat! Ich kann mich oder mein Umfeld an das Thema heranführen z. B. durch das Ausleihen unserer Wanderausstellungen, durch das Besuchen unserer Gartenseminare und vieler Webinare. Grundschulen oder Kitas können unsere Bienenkoffer erwerben. Richtig aktiv werden kann man über unseren bundesweiten Pflanzwettbewerb. Wohnungsbaugenossenschaften lassen von uns ihr Abstandsgrün in Blühoasen umgestalten und ihre Mieterschaft für naturnahes Grün begeistern. Kommunen und Landkreise treten unserem Netzwerk bei und kommen in Schwung durch unsere Vernetzungsworkshops und Kommunikationsmaterialien. Es ist wirklich an der Zeit, dass wir alle mit anpacken, um den wahnsinnigen Artenschwund zu stoppen! Als bundesweite Initiative stehen wir gerne beratend und unterstützend zur Seite.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft unserer Städte? Welche Maßnahmen sollten wir jetzt umsetzen, damit unsere Städte zukunftsfähig werden und lebenswert bleiben?

Corinna Hölzer: Ich wünsche mir, dass der Ernst der Lage erkannt wird und dass die Förderung von Biologischer Vielfalt, von Stadtnatur, nicht auf die Grünflächenämter und „die Naturschützer“ abgewälzt wird. Umbau zu Radfreundlichen Städten, Regenwassermanagement, Vertikalbegrünung und Dachbegrünung sowie das Fördern von heimischen Pflanzen im öffentlichen und privaten Raum fände ich sinnvoll. Es gibt irre viel zu tun, umzubauen, neu zu denken.

Ist es das, was Sie an Ihrer Tätigkeit fasziniert? Probleme identifizieren, Visionen entwerfen, innovative Lösungsansätze finden?

Corinna Hölzer: Absolut. Ich liebe es an meiner Tätigkeit, ständig neue Ideen produzieren zu dürfen und sie auch umzusetzen. Auszutesten, mit welchen Mitteln ich die unterschiedlichsten Personenkreise aktiveren kann, macht mir Spaß. Es fasziniert mich immer wieder, wie schnell man aus einer öden Rasenfläche eine summende und zwitschernde Blühfläche entwickeln kann.

Herzlichen Dank für das Interview, Frau Dr’in Hölzer!

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