Yasmin Hollenbenders über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Forschung

30. Juli 2023

Portätfoto von Yasmin Hollenbenders
Yasmin Hollenbenders

Yasmin Hollenbenders

Medizin und Gesundheit


Eine Welt, in der Alzheimer durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) früher erkannt werden kann – davon träumt Yasmin Hollenbenders. Am Heilbronner Zentrum für maschinelles Lernen forscht die Doktorandin an der Schnittstelle von Psychologie und Informatik. Und entdeckt unterschiedliche Krankheitsverläufe von Alzheimer mit Hilfe von KI. Eine bahnbrechende Erkenntnis. Im Interview berichtet Yasmin Hollenbenders über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Forschung, Möglichkeiten der Alzheimerfrüherkennung und teilt persönliche Eindrücke aus ihrer Promotionszeit.

Frau Hollenbenders, Sie sind Doktorandin am Heilbronner Zentrum für maschinelles Lernen. Wie kamen Sie dazu, die Alzheimerkrankheit zu erforschen?

Ich habe im Laufe des Studiums angefangen, mich für die Schnittstelle zwischen Psychologie und Informatik zu interessieren. Immer mehr Menschen leiden an psychiatrischen Erkrankungen und die Informatik bietet in meinen Augen das Potential, Lösungsansätze zu schaffen. Für meine Masterarbeit haben meine jetzige Doktormutter Alex Reichenbach und ich verschiedene Themen in diesem Bereich diskutiert und die Modellierung des Verlaufs von Alzheimer klang vielversprechend. 

Mit Ihrer Forschung im Rahmen Ihres Studiums haben Sie einen Grundstein für die Frühdiagnostik von Alzheimer gelegt. Was macht Ihre Forschungsergebnisse innovativ?

Alzheimer ist eine sehr heterogene Krankheit, was bedeutet, dass Erkrankte unterschiedliche Symptome zeigen und sich der Verlauf der Krankheit unterscheidet. Warum das so ist, bzw. welche Unterteilungen dem zugrunde liegen, wird momentan noch untersucht. Die Besonderheit an unseren Forschungsergebnissen ist, dass wir mithilfe von künstlicher Intelligenz zwei ziemlich klare unterschiedliche Verläufe feststellen konnten – und dies nur anhand von MRT-Bildern der Gehirnanatomie. Dabei unterscheiden sich die Verläufe sowohl in den Gehirnregionen, die zuerst schrumpfen, als auch in der Symptomatik, die die Patient:innen an den Tag legen.

Die Besonderheit an unseren Forschungsergebnissen ist, dass wir mithilfe von künstlicher Intelligenz zwei ziemlich klare unterschiedliche Verläufe feststellen konnten.

Bedeutet das, dass eine gute Frühdiagnose von Alzheimer ausschlaggebend sein könnte?

Leider gibt es bis zum heutigen Zeitpunkt keine Therapie, die Alzheimer heilen kann. Die Gehirnmasse nimmt ab, das ist Stand heute irreversibel. Allerdings gibt es Therapiemöglichkeiten, wie Gedächtnistraining, die den Verlauf der Erkrankungen verlangsamen. Und je früher wir eine Diagnose vorliegen haben, desto früher können wir versuchen, den Verlauf der Krankheit zu verzögern.

Sie haben sich nach dem Masterstudium für die Promotion entschieden. Was reizt Sie an einer Karriere in der Wissenschaft?

Das klingt jetzt nach einem Klischee, aber ich möchte mit meiner Arbeit einen positiven Nutzen schaffen. In der Wissenschaft kann ich dies tun, ohne dass der Erfolg eines Produkts oder sogar gesamten Unternehmens davon abhängt. Das gibt mir ein Gefühl von Freiheit in meiner Arbeit und auch die Möglichkeit, mein Vorgehen immer wieder zu hinterfragen und anzupassen.

Welches Potential birgt der Einsatz neuer Technologien und Innovationen in der Medizin?

Ich sehe vor allem Potential in der Unterstützung der Fachkräfte. Wir wissen mittlerweile alle von dem Mangel an Pflegekräften und Ärzt:innen; kennen die langen Wartezeiten etc. Ich glaube, es ist vor allem interessant und notwendig zu schauen, wie wir diese Personen in ihrer Arbeit bestmöglich unterstützen können: bei der Entscheidung bezüglich Diagnose und Therapie, aber auch bei der Verwaltung von Patient:innendaten, der Verbesserung medizinischer Geräte und so weiter. Ich denke, damit könnten wir die Fachkräfte entlasten und die medizinische Versorgung für die Bevölkerung verbessern.

Was wünschen Sie sich als Expertin für den zukünftigen Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Forschung?

Ich wünsche mir vor allem, dass die Fachgebiete weiter zusammenwachsen. Personen mit spezifischem Fachwissen, sogenanntem Domänenwissen, sind für uns Informatiker:innen sehr wertvoll. Denn wir haben die Methoden, Daten mit Hilfe künstlicher Intelligenz zu analysieren und zu modellieren. Aber für die Interpretation und die Übertragbarkeit in die Praxis ist der Blick für Zusammenhänge und die Erfahrung von Domänenexpert:innen – in meinem Fall Mediziner:innen – von äußerster Wichtigkeit.

Was möchten Sie Frauen mit auf den Weg geben, die mit dem Gedanken spielen, zu promovieren?

Zuallererst: Hinterfragt, warum ihr promovieren wollt. Denn dieser Grund wird euch durch die schlechten Zeiten bringen. Danach: Tut’s für euch, habt keine Angst vorm Scheitern, erlaubt euch „Anfängerinnen“ auf eurem Gebiet zu sein und in eure Position hineinzuwachsen. Mir persönlich hilft es immer wieder, eine spielerischere Perspektive auf die Promotion einzunehmen. Es muss nicht immer hart und anstrengend sein – es darf auch leicht sein und Spaß machen.

Herzlichen Dank für das Interview, Frau Hollenbenders!

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