Von der Kernspaltung über die Radioaktivität bis zum Aufbau des Atomkerns – Geschichte und Gegenwart der Physik sind reich an herausragenden Beiträgen innovativer Frauen. Denn Frauen haben die Wissenschaft trotz gesellschaftlicher Widerstände und Vorurteile entscheidend vorangebracht. Und sie tun es bis heute. Die Plattform #InnovativeFrauen macht die innovativen Physikerinnen der deutschen Gegenwart mit ihren Leistungen sichtbar. Im Podcast der Plattform #InnovativeFrauen spricht die Physikerin Dr’in Ulrike Böhm über ihre Forschung, ihren Werdegang und darüber, was sie motiviert, sich für die Sichtbarkeit von Frauen in der Physik stark zu machen. Böhm ist Mitglied des Arbeitskreises Chancengleichheit bei der Deutschen Physikalischen Gesellschaft e. V. und verantwortet das Projekt "Physikerin der Woche", das inspirierende Physikerinnen vorstellt.
In die Expertinnen-Datenbank der Plattform #InnovativeFrauen haben sich zahlreiche innovative Physikerinnen eingetragen, viele von ihnen forschen im Bereich der Quantenphysik. Die Quantenphysik entwickelt sich derzeit zu einer milliardenschweren Industrie. Und hält trotz aller Widersprüche und Verständnisschwierigkeiten Einzug in die Popkultur. So zeigte der Nobelpreisträger Anton Zeilinger auf der Kunstausstellung documenta Laborexperimente, die die Grundprinzipien der Quantenphysik veranschaulichen (Universität Wien). Und die aktuelle Serie "Dark Matter" setzt das quantentheoretische Paradoxon von Schrödingers Katze als Thriller um (taz.de).
Quantenphysik: Eine Säule der modernen Physik
Die Quantenphysik ist eine Wissenschaft des Allerkleinsten. Sie ist ein Teil der modernen Physik und untersucht das Verhalten von Elementarteilchen, Atomen und anderen winzigen Objekten. Zusammen mit der Relativitätstheorie bildet sie die Grundlage unseres physikalischen Weltbildes (Universität Tübingen (PDF)). Und wie Einsteins Relativitätstheorie revolutioniert die Quantenphysik unser Verständnis von Materie und Energie.
Entstanden ist die Quantentheorie aus der Frage nach der Natur des Lichts. Denn Licht verhält sich manchmal wie eine Welle und manchmal wie ein Teilchen (Physicus Minimus). Dabei war und ist die Unterscheidung zwischen Teilchen und Welle ein zentrales Thema der Physik: Ein Teilchen kann man sich als ein Stück Materie vorstellen, Wellen entstehen, wenn Teilchen in Schwingung geraten.
Da Licht die klassischen Eigenschaften einer Welle und eines Teilchens aufweist, entstand ein physikalisches Paradoxon. Dieses Paradoxon wird heute als Welle-Teilchen-Dualismus bezeichnet (Spektrum). Da sich Licht je nach Kontext wie eine Welle oder wie ein Teilchen verhält, kann es weder das eine noch das andere sein. Man brauchte einen neuen Namen für diese Objekte, die ihren Zustand ändern. Der Begriff Quanten war geboren. Das Wort Quant kommt vom lateinischen "quantum", was "eine Menge" oder "wie viel" bedeutet und damit etwas Messbares, etwas "Quantifizierbares" beschreibt (Spektrum). Beispiele für Quanten sind Photonen, also Lichtquanten, oder Plasmonen und Magnonen.
Seit mehr als einem Jahrhundert inspiriert und provoziert dieses Phänomen Philosoph*innen und Wissenschaftler*innen gleichermaßen. Denn die Gesetze der Quantenphysik scheinen unserem gesunden Menschenverstand und unserer eigenen Erfahrung zu widersprechen. Trotzdem oder gerade deswegen hat die Quantenphysik unser Verständnis von Materie und Energie revolutioniert. Und sie hat zu zahlreichen technologischen Fortschritten geführt.
Anwendungen der Quantenphysik
Die Quantenphysik ist die Grundlage vieler moderner Technologien, wie zum Beispiel der Lasertechnologie. Schon heute findet die Quantenphysik Anwendung, beispielsweise bei der Kernspintomographie, auch Magnetresonanztomographie (MRT) genannt. Hier ermöglicht die Quantenphysik detaillierte Bilder aus dem Körperinneren ohne schädliche Strahlung. In vielen weiteren Bereichen wird auf Hochtouren geforscht, einige davon stellen wir Ihnen im Folgenden vor.
Quantencomputer
Quantencomputer haben das Potenzial, unsere Welt in ungeahnter Weise zu verändern. Dabei würden sie sich grundlegend von normalen Computern unterscheiden, vor allem in Bezug auf die Leistungsfähigkeit. Solche Hochleistungsrechner könnten die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz in ungeahntem Maße beschleunigen, aber auch Durchbrüche in der Medizin, der Materialforschung oder der Kryptographie ermöglichen. Noch gibt es keinen hochleistungsfähigen Quantencomputer, aber die Forschung läuft auf Hochtouren und Firmen wie Google, Microsoft oder IBM liefern sich einen Wettlauf um die Entwicklung des Hightech-Rechners.
Dr‘in Iris Schwenk hat das enorme Potenzial von Quantencomputern erkannt. Ihre Firma HQS Quantum Simulations GmbH wurde 2017 aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ausgegründet, um die Lücke zwischen Forschung und Industrie im Bereich Quantencomputing zu schließen. Ziel ist es, die derzeit noch fehlerbehafteten Quantencomputer nutzbar zu machen, um die Entwicklung neuer Materialien in der Chemie-, Pharma- und Materialbranche zu beschleunigen. Im Open Mic der Plattform #InnovativeFrauen berichtet Dr’in Iris Schwenk über ihre Erfahrungen mit der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Promotion.
Dr’in Karla Loida ist Projektleiterin für Quantencomputing Hardware in der Quantencomputing Initiative des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie der Industriestandort Deutschland im Quantencomputing zu den führenden Nationen aufschließen kann und wie Start-ups daran partizipieren können. Die frühzeitige Einbindung von Start-ups in den Aufbau eines Quantencomputing-Ökosystems am Standort Deutschland durch eine 100-prozentige Forschungsförderung ist bislang einzigartig. Im Interview mit der Plattform #InnovativeFrauen spricht Dr'in Karla Loida über den aktuellen Stand der Forschung, die innovative DLR-Initiative und ihre Erfahrungen als Physikstudentin.
Quantengase
Quantengase sind wie normale Gase, nur extrem kalt. Aufgrund dieser extremen Kälte verhalten sich die Teilchen in diesen Gasen nicht mehr nach den Regeln der klassischen Physik, sondern nach den Regeln der Quantenmechanik.
In dem innovativen Forschungsprojekt "Two-dimensional Dipolar Quantum Gases: Fluctuations and Orders" geht Prof’in Dr’in Lauriane Chomaz der Frage nach, wie sich Materie unter extremen Bedingungen ordnet und wie sich diese Ordnung unter dem Einfluss von Quanten- und Temperaturfluktuationen verändert. Die Untersuchung der verschiedenen Zustände des magnetischen Gases liefert neue Einblicke in bisher unerforschte Materialzustände, deren Ordnungen, Ordnungsmechanismen und Fluktuationen.
Quantenmaterialien
Mit den Eigenschaften von Quanten bei tiefen Temperaturen beschäftigt sich auch Prof’in Dr’in Elena Hassinger. Sie erforscht das Verhalten von Metallen und unkonventionellen Supraleitern bei extrem niedrigen Temperaturen und in hohen Magnetfeldern. Ein Supraleiter ist ein Material, das bei Kälte elektrischen Strom ohne Widerstand leiten kann. Das bedeutet, dass der Strom, sobald er durch einen Supraleiter fließt, theoretisch unendlich weit fließen kann, ohne Energie zu verlieren. Im Rahmen ihrer innovativen Forschung hat Prof’in Dr’in Elena Hassinger einen bisher unbekannten Supraleiter entdeckt: Cer-Rhodium-Arsen (CeRh2As2). Es ist das bisher einzige Quantenmaterial, das aufgrund der asymmetrischen Kristallstruktur des Cer-Atoms zwei supraleitende Zustände aufweist. Durch diese besondere Eigenschaft könnte der Supraleiter eine Möglichkeit für so genannte topologische Quantenbits darstellen und wäre damit ein Meilenstein auf dem Weg zu großen Quantencomputern.
Quantenuhren und -sensoren
Eine Quantenuhr nutzt die Prinzipien der Quantenmechanik, um die genaueste Zeitmessung zu erreichen. Um die Zeit zu messen, nutzt die Quantenuhr die Schwingungen von Atomen oder Molekülen und nicht etwa die Bewegung eines Pendels, wie es bei einer normalen Uhr der Fall ist. Diese Schwingungen sind extrem stabil und unveränderlich, was eine sehr genaue und konstante Zeitmessung ermöglicht. Die Quantenuhr ist sogar so genau, dass sie theoretisch nur eine Sekunde in mehreren Milliarden Jahren verlieren würde. Mit Quantenuhren und Quantensensoren beschäftigt sich auch Prof’in Dr’in Tanja Mehlstäubler. An der Leibniz Universität Hannover nutzt und entwickelt sie dafür innovative Ionenfallen. Mit den Sensoren lassen sich auch hochpräzise Tests von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie durchführen und die Suche nach Dunkler Materie und Dunkler Energie unterstützen.
All die genannten quantenphysischen Anwendungs- und Forschungsgebiete verdeutlichen: Quantenphysik nicht nur eine wissenschaftliche Disziplin ist, sondern auch eine treibende Kraft für Innovation und Fortschritt. Die Arbeit der vorgestellten innovativen Frauen zeigt, dass die Quantenphysik eine lebendige und dynamische Disziplin ist, die ständig neue Erkenntnisse und Anwendungen hervorbringt und damit unsere Gesellschaft nachhaltig prägt.
Wie es ist, als Frau in der Quantenphysik tätig zu sein, erzählen drei Nachwuchswissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in inspirierenden Videoporträts.
Quantum 2025
Das Jahr 2025 wurde von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft gemeinsam mit ihren internationalen Schwestergesellschaften zum Jahr der Quanten ausgerufen. Denn vor genau 100 Jahren, im Jahr 1925, wurde mit der Formulierung der Quantenmechanik eine bleibende Grundlage für unser physikalisches Verständnis der Natur gelegt. Heute wirkt sich die Quantenmechanik auf alle Bereiche der Gesellschaft aus.
Alle Informationen zum Aktionsjahr finden Sie hier: www.quantum2025.de
Und nun, wissen Sie am Ende dieses Textes immer noch nicht so recht, was es mit Quanten auf sich hat? Macht nichts, sagt Richard Feynmann, einer der großen Physiker des 20. Jahrhunderts, der wesentliche Beiträge zum Verständnis der Quantentheorie geleistet hat. Denn wer glaubt, die Quantentheorie verstanden zu haben, so Feynmann, der hat sie nicht verstanden.