MINT-Bildung geht uns alle etwas an
Mädchen können MINT – und zwar genauso gut wie ihre männlichen Mitschüler. Das bestätigte zuletzt der IQB-Bildungstrend 2018, der regelmäßig das Erreichen von Bildungsstandards in den Fächern Mathematik, Biologie, Chemie und Physik überprüft. Aus der Bildungsstudie geht hervor, dass Mädchen in Bezug auf MINT wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten haben. Ursache hierfür sind Stereotype, die auf das Geschlecht zurückgeführt werden und in unserer Gesellschaft wirken. Wichtig ist eine frühe MINT-Bildung, die die Chancengleichheit von Kindern und jungen Menschen in den Blick nimmt. Die an schulischen und außerschulischen Lernorten MINT-Kompetenzen vermittelt und über Stereotype und Vorurteile aufklärt. Hier sind Bildungsorte wie Schulen, Schüler*innenlabore oder Kindergärten gefragt. Da Stereotype jedoch vielerorts wirken, stehen auch Eltern, Großeltern, Freund*innen oder Sporttrainer*innen in der Verantwortung, die eigenen Vorurteile zu hinterfragen und jungen Menschen eine Berufswahl unabhängig vom Geschlecht zu ermöglichen. Für MINT-Lehrkräfte wäre es von großem Nutzen, im Rahmen des Studiums oder anhand einer Weiterbildung für Genderaspekte sensibilisiert zu werden.
Mehr Infos zum Thema Geschlechterstereotype finden sich auf der Webseite von MINTvernetzt, der Service- und Anlaufstelle für die MINT-Bildung in Deutschland: www.mint-vernetzt.de/maedchen-koennen-kein-mint-von-geschlechterstereotypen-und-loesungsansaetzen.
Herausforderung Schule: Lehrkräftemangel und Pflichtfach Informatik
Die meisten Schülerinnen haben ein persönliches Interesse an MINT-Themen, doch mehr als 40 % der jungen Frauen und Mädchen fühlen sich mit diesen Themen in der Schule überfordert (4). Dies führt dazu, dass sich die Schülerinnen gegen eine MINT-Fächerwahl entscheiden. Vor allem die Fächer Informatik und Technik werden von Schülerinnen seltener gewählt als von Schülern. Im Gegensatz zu den Fächern Mathematik, Chemie, Physik und Biologie sind die Fächer Informatik und Technik keine Pflichtfächer. Ein Pflichtfach Informatik würde die Geschlechter- und Chancengleichheit fördern, denn dadurch erhielten alle Schüler*innen IT-Kompetenzen. Kompetenzen, die in 90 % der Berufe der Zukunft benötigt werden (5). Viele Mädchen und Frauen würden so zum ersten Mal fachlich fundiert mit dem Thema Informatik in Berührung kommen und Talente entdecken, von denen sie unter Umständen noch nichts wussten. Vor dem Hintergrund einer mangelnden informatischen Grundbildung in der Schule ist es nicht erstaunlich, dass der Anteil der Frauen in IT-Berufen bei 19 % liegt (6).
Diesen Gender Gap, also die Differenz zwischen männlichen und weiblichen Arbeitskräften in der Informatik, möchte das Projekt #FrauWirktDigital schließen. Auf Basis einer Meta-Studie werden Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalgesellschaft mit Handlungsleitlinien ausgestattet, um mehr Frauen in informatische Berufe zu bekommen. Im Fokus stehen die Bereiche Schule, Ausbildung, Hochschule, Wirtschaft und Gründung sowie gesellschaftliche Wirkfaktoren wie der Einfluss von Familien und Technikkultur.
Neben einer niedrigen Frauenquote in der IT-Branche ist auch der prognostizierte Lehrkräftemangel alarmierend. Im Jahr 2022 können bundesweit nur 62,3 % aller Lehrkräftestellen im MINT-Bereich besetzt werden und die Tendenz ist steigend (7). Der Beruf der MINT-Lehrkraft muss für angehende Lehramtsstudierende und vor allem für junge Frauen attraktiver werden. Jede weibliche MINT-Lehrkraft ist ein dringend benötigtes MINT-Vorbild für Mädchen und junge Frauen.
Klischeefreie Berufsorientierung und außerschulische Lernorte
Im Alter von 11 bis 16 Jahren ist das Interesse von Mädchen an MINT-Themen am stärksten und lässt danach nach (8). Ein entscheidender Faktor, um Mädchen nachhaltig für MINT-Berufe zu begeistern, ist eine Berufsorientierung entlang der Bildungskette, die kontinuierlich von der Kita bis ins Studium auf berufliche Optionen in MINT aufmerksam macht. Doch gerade bei der Berufsorientierung fehlt vielen jungen Menschen der Durchblick. Dreiviertel der Jugendlichen finden, dass es nicht genügend Informationen zur Berufswahl gibt (9). Hier können außerschulische MINT-Bildungsangebote die schulische MINT-Bildung ergänzen. Außerschulische Lernorte, wie Schüler*innenlabore oder Schüler*innen-Forschungszentren, sind darauf ausgerichtet, Kindern und Jugendlichen MINT-Themen und dazugehörige Berufsbilder in einem spielerischen Kontext nahezubringen. Im Gegensatz zur Schule steht hier nicht das Abarbeiten eines fixen Lehrplans, sondern das Ausprobieren und Erforschen der eigenen Interessen im Vordergrund. Durch Kooperationen der außerschulischen Lernorte mit Unternehmen oder Hochschulen erhalten die Schüler*innen einen Einblick in Ausbildungs-, Studien- und Arbeitsfelder. Wünschenswert wäre eine enge institutionelle Verzahnung von Schule und außerschulischen Lernorten, damit alle Schüler*innen von den Vorteilen einer solchen Berufsorientierung profitieren können.
Das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. unterstützt eine Berufsorientierung jenseits von Geschlechterklischees mit vielfältigen Maßnahmen: So berät, vernetzt und qualifiziert die Initiative Klischeefrei Multiplikator*innen für eine klischeefreie Berufs- und Studienwahl. Der Girls’Day – Mädchen-Zukunftstag bietet Schülerinnen die Möglichkeit, Berufe aus den Bereichen Technik, Mathematik, Handwerk, Ingenieur- und Naturwissenschaften kennenzulernen. Auf der Webseite von Komm, mach MINT findet sich eine interaktive MINT-Karte mit über 1.000 aktuellen Projekten, anhand derer Schüler*innen MINT kennenlernen können.
MINT-Bildung entlang der gesamten Bildungskette
Eine frühe MINT-Bildung samt klischeefreier Berufsorientierung sowie die Sensibilisierung von Eltern und Lehrkräften sind bedeutend, um Bildungsgerechtigkeit zu fördern und den MINT-Nachwuchs zu sichern. Um dem Fachkräftemangel zeitnah begegnen zu können, braucht es zusätzlich attraktive Qualifizierungs- und Umschulungsangebote für Erwachsene. Denn für den Klimaschutz und die Digitalisierung benötigen wir bereits in den kommenden Jahren ein Plus an innovativen Ideen. Menschen und insbesondere Frauen, die sich neu- oder umorientieren möchten, benötigen niedrigschwelligen Zugang zu Informationsangeboten zu möglichen (Quer-)Einstiegswegen in MINT-Berufe. Um Migrant*innen beim Einstieg in verschiedene MINT-Berufe zu unterstützen, entwickelte Dr’in Afsar Sattari mit Go Digital eine innovative multimediale und mehrsprachige Datenbank.
Quellen:
(4) IU Internationale Hochschule (Hg.) 2022: MINT-Bildung. Was junge Frauen darüber denken, S.1.
(5) Gesellschaft für Informatik (2022): Studie zeigt: Schulfach Informatik fördert Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit. https://gi.de/meldung/studie-zeigt-schulfach-informatik-foerdert-chancen-und-geschlechtergerechtigkeit [Abruf am 22.09.2022].
(6) Eurostat (2022): Erwerbstätige IKT-Spezialisten nach Geschlecht. https://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=isoc_sks_itsps& [Abruf am 22.09.2022].
(7) Gesellschaft für Informatik (2022): Studie zeigt: Schulfach Informatik fördert Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit. https://gi.de/meldung/gesellschaft-fuer-informatik-ev-startet-projekt-gegen-den-lehrkraeftemangel-im-schulfach-informatik [Abruf am 22.09.2022].
(8) Microsoft (2017): Microsoft-Studie: Mädchen können durch weibliche Vorbilder und mehr Praxiserfahrungen für MINT-Disziplinen begeistert werden. https://news.microsoft.com/de-de/microsoft-studie-madchenfur-mint-disziplinen-begeistern/#sm.0001sm1rxhhkge1ktgs1q0d5jlq29 [Abruf am 22.09.2022].
(9) Bertelsmann Stiftung (2022): Mehrheit der Jugendlichen fehlt der Durchblick bei der Berufswahl. https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2022/juli/mehrheit-der-jugendlichen-fehlt-der-durchblick-bei-der-berufswahl [Abruf am 22.09.2022].